Informationsaustausch und Tratsch früher und heute – Marianne Wiessner im Gespräch mit Bewohnern über Kommunikation
Immer erreichbar sein, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Für uns heute ist das eine Selbstverständlichkeit. Jeder besitzt ein Mobiltelefon und Internetanschluss. Unsere Jugend kennt das nicht anders, aber die älteren Generationen können sich sehr wohl noch daran erinnern, dass man Neuigkeiten, wenn überhaupt, nur über die Tageszeitung oder den persönlichen Kontakt erfahren
hat.
Frau W. erzählt, dass sie und ihr Ehemann viele Freunde in ihrem Ort hatten, die sich gegenseitig besucht haben. Dabei sind alle Neuigkeiten ausgetauscht worden, ob „weltpolitische“ oder auch
das Dorfgeschehen. Bei diesen Treffen sind auch Verabredungen getroffen worden zum nächsten Tanzfest in der ortsansässigen Wirtschaft. „Es war eine schöne Zeit“ meint sie, „auch als wir Kinder hatten, konnten wir uns immer treffen. Die Eltern haben dann auf die Kinder aufgepasst.“ Verabredungen sind immer beim persönlichen Kontakt vereinbart worden. „Oft haben unsere Männer auch beim Stammtisch am Sonntagvormittag Verabredungen zum Tanzen oder Wandern ausgemacht, an denen wir dann gemeinsam teilgenommen haben. Bei diesen Treffen wurden dann wiederum Neuigkeiten ausgetauscht.“
„Ein Telefon gab es nicht bei uns“ stellt Frau F. fest. „Man hat nur etwas erfahren, wenn man direkt mit den Leuten gesprochen hat.“
„Wenn man jemanden auf der Straße getroffen hat, den man gekannt hat, ist man stehen gebliebenund hat erzählt. Dabei hat man dann immer die neuesten Geschichten erfahren, und wie es den Leuten, die man kennt, so geht.“ Auch gegenseitige Besuche hat es zwischen ihr und den Freunden gegeben, die zum Austausch von Neuigkeiten und Informationen genutzt worden sind.
„Unsere Männer sind freitagsabends immer zum Stammtisch gegangen, und haben die Neuigkeiten und Nachrichten von dort mit nach Hause gebracht“ erinnert sich R. „Wir Frauen waren da nicht dabei. Wir haben uns meistens auf der Straße getroffen, wenn man im Dorf einkaufen war oder im Garten gearbeitet hat. Dann haben wir miteinander erzählt“. „Später gab es zwar ein Telefon, das wurde aber selten genutzt“ fügt sie noch hinzu.
AuchFrau A. erinnert sich daran, dass sie im Sommer oft vor dem Haus auf der Bank gesessen sind. Die Nachbarn und andere Dorfbewohner, die gerade vorbeikamen, sind stehen geblieben oder haben sich auch hingesetzt und man hat erzählt, über die Neuigkeiten im Dorf, aber auch, was in der Politik so passiert.
Bei Frau L., die in der Stadt gewohnt hat, hat es ebenfalls eine Bank gegeben, die dem gegenseitigen Austausch von Neuigkeiten diente. Allerdings hat die Bank im Innenhof gestanden. Vor allem abends haben sich die Bewohner aus dem Haus dort getroffen und die Zeit miteinander verbracht, und sich „über alles Mögliche“ unterhalten.
Auf meine Nachfrage, ob auch die Tageszeitung gelesen wurde, um sich zu informieren, stelle ich fest, dass das Lesen der Tagespresse bei allen fast ausschließlich „Männersache“ war und die Frauen sich dann bei ihren Männern nach den Neuigkeiten erkundigt haben. Radio wurde zwar ebenfalls gehört, aber überwiegend, um Musik zu hören, weniger, um sich zu informieren. Einig sind sich alle, dass es mit dem Austausch von Informationen und Verabreden immer gut funktioniert hat – auch ohne ständig erreichbar sein zu müssen. (mw)
Bericht aus der Heimzeitung „BEI UNS“
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